Sophie Pacinis Album "Bittersweet": "Wie eine liebevolle Umarmung"

Interview zum Frauentag:Sophie Pacinis Album "Bittersweet": "Wie eine liebevolle Umarmung"

Passend zum internationalen Frauentag erscheint das neue Album „Bittersweet“ von Sophie Pacini. Inspiriert dazu hat sie ein bewegendes Konzert in einem Frauenhaus. Wie die Frauen reagiert haben, warum Sophie Pacini ihr Schicksal ganz besonders berührt und warum Musik wirken kann wie eine liebevolle Umarmung - wir haben mit ihr darüber gesprochen.

Sophie Pacinis Album "Bittersweet": "Wie eine liebevolle Umarmung"Foto: (c) Vitaliy Bachaco

Frau Pacini, Ihr neues Album "Bittersweet" ist von einem ganz besonderen Konzert in einem Frauenhaus in München inspiriert worden. Können Sie uns erzählen, wie es dazu gekommen ist?

"Das Thema Musik auch an Orte zu bringen, wo klassische Musik unüblich ist, das ist ja schon sehr lange ein Anliegen von mir. Und letztendlich berührt mich das Thema "Gewalt an Frauen" schon seit Kindertagen. (...) Das war in der Grundschule und eine Mitschülerin von mir, die hatte eine Tante und die hat häusliche Gewalt erlebt. Und das wurde aber in der Familie ziemlich totgeschwiegen. Es war eine bildschöne Frau, sehr stark und unkonventionell. Ich habe sie eigentlich immer sehr bewundert. Und dann kam sie eines Tages in die Schule, hat ihre Nichte abgeholt und hatte einen blauen Rand am Auge und trug eine Sonnenbrille. Also wirklich so, wie man es aus dem Film eigentlich kennt. Ich habe das dann meinen Eltern erzählt und die haben mir dann erklärt, was da wirklich los ist. Meine Eltern haben auch versucht, mit den Eltern meiner Freundin mal darüber zu sprechen. (...)Es war aber einfach kein Wille da zur Hilfe. Das war wirklich ein einschneidendes Erlebnis und hat mich sehr, sehr lange begleitet. (...)Und jetzt kam ich endlich an den Punkt, wo ich was bewirken kann, in der Öffentlichkeit. Und das möchte ich einsetzen."

Wie kann man sich das vorstellen, ein Konzert in einem Frauenhaus zu organisieren?

"Das war sehr, sehr schwierig. Also ich musste einige Hürden nehmen, denn die Idee traf auf sehr viel Freude, aber auch auf große Sorge, wie sich das gestalten soll. Also überhaupt mal rauszugeben, wo ist dieses Frauenhaus? Bin ich ein vertrauenswürdiger Mensch? Das sind ja Orte, die natürlich aus offensichtlichen Gründen geheim sind. (...) Und dann kam die nächste Herausforderung: kein Frauenhaus besitzt ein Instrument. Ich habe auch herausgefunden, dass Frauen, die ein Instrument spielen oder Kinder, die es Musikunterricht nehmen, das alles aufgeben müssen. (...)Und da kam für mich dieses große Ziel nicht nur in den Kopf, sondern wirklich ins Herz, dass jedes Frauenhaus ein Instrument besitzen soll. (....) Für das Konzert habe ich dann mein E-Piano mitgenommen."

Welche Stücke haben Sie denn gespielt?

"Das habe ich auch überlegt, was spiele ich? Spiele ich jetzt besonders fröhliche Musik, um die Frauen auf eine Ebene zu holen, auf der ich glaube, dass sie hin müssen? Oder spiegle ich diese Frauen in ihren Emotionen und spiele Werke, die beide Seiten der Medaille besonders ausleuchten? (...)Und dann habe ich einfach für mich entschieden: Es werden alles Werke sein, die entweder vom Dunkeln ins Licht gehen oder die im Licht sind und rückblicken auf dunkle Momente, aber zurückkehren in eine positive, starke Gefühlslage."

Wie hat das funktioniert? Wie ist das Konzert angekommen?

"Das hat sehr gut funktioniert. Also mir selbst sind die Tränen gekommen beim Spielen. Es waren wirklich Frauen aus allen möglichen Ländern, die sich untereinander an die Hand gefasst haben. Sie haben keine gemeinsame Sprache gesprochen, aber wir haben wieder mal gesehen: Musik ist eine universelle Sprache, die nicht übersetzt werden muss. Sie haben eine Stärke untereinander gefunden, in gewisser Weise auch einen Moment der Zuversicht, einen Moment für sie selbst, der Auszeit, der Selbstliebe. Es sind viele Tränen geflossen. Das Schöne war, dass die Frauen auch die Tränen zugelassen und nicht einfach weggewischt haben. Was ja auch ein Zeichen großen Vertrauens ist an mich. Jede Frau hat mich am Ende einzeln umarmt. Es hat ihnen Zuversicht und vor allem Mut gegeben und sie fühlten sich wertvoll in diesem Moment, dass ich komme und Musik für sie mache. Ich finde einfach, das ist das Größte, was man sich gegenseitig schenken kann: zu zeigen, wie wertvoll man ist. Und zwar nicht durch das, was man tut, sondern einfach dadurch, dass man da ist. Gerade auch wir Frauen untereinander, finde ich, sollten uns das immer mehr ins Gedächtnis rufen und auch zeigen und gegenseitig einfach immer wieder spiegeln und uns daran erinnern, wenn wir es vielleicht mal vergessen haben."

Ein sehr bewegendes Erlebnis also, das Sie dann zu Ihrem neuen Album inspiriert hat...

"Das war eigentlich für mich der Startschuss, zu sagen: Hey, warum nur in einem solch geschlossenen Raum? Vielleicht kann ich mit dieser Werkauswahl auch andere Menschen irgendwie begleiten durch bittersüße Momente in ihrem Leben, wenn sie vielleicht mal so ein Klavierbüchlein für die Tasche brauchen, das aus der Tasche heraus strahlt."

Sie meinten auch, das Album sei wie eine "trostspendende Umarmung"...

"Ja, so eine Umarmung die von Herzen kommt, ist etwas vom Heilendsten und vom Stärkendsten, finde ich. Und deswegen habe ich das bewusst auch so gesagt über dieses Album. Denn, wenn man vielleicht mal gerade nicht so eine Umarmung hat, dass man vielleicht durch die Musik so eine gewisse Wärmequelle irgendwie haben kann. Und das zu jeder möglichen Tageszeit oder wo auch immer man sich befindet."

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Das Album erscheint ja pünktlich zum Internationalen Frauentag morgen. Haben Sie denn persönlich eine Musikerin, die Ihnen eine Art Vorbild ist?

"Auf jeden Fall. Also erstmal ist auf dem Album tatsächlich auch eine Entdeckung von mir drauf, nämlich ein Stück von Cécile Chaminade. Die kannte ich persönlich noch nicht und habe wirklich diese Musikwelt entdeckt von ihr. Sie hat viele Klavierwerke geschrieben, die mich einfach unglaublich begeistert haben. Und da habe ich einfach ein Stück auch mit draufgepackt, die "Romance". (...) Natürlich gibt es ein großes Vorbild in meinem Leben, das ist Marta Agerich. Mittlerweile ist sie nicht nur ein Vorbild, sie ist eine sehr gute und sehr enge Freundin von mir, auch meine Mentorin und wir spielen ja mittlerweile auch im Duo regelmäßig zusammen und sie hat mich eigentlich zu diesem Beruf der Konzertpianistin hingebracht, weil mich ihre Person so fasziniert hat und zwar ihre unkonventionelle Art und auch mal die Dinge anders zu machen (...) und irgendwo auch einfach ihr Standing zu untermauern in einer Zeit, wo es für Frauen sehr schwer war. (...) Sie hat Beethoven gespielt, wie man immer sagt, mit einem männlichen Zugriff. Ja, entschuldigung, das ist vielleicht ein weiblicher Zugriff. Warum ist das jetzt ein männlicher Zugriff? Weil er stark ist und nicht schwach?"

Wie sieht es denn mittlerweile aus, gibt es immer noch Menschen, die denken, Frauen spielen z.B. Beethoven anders als ein Mann?

"Ja, absolut. Also die großen drei Bs, Bach, Beethoven, Brahms. (...)Ich habe das auch oft gehört: 'Ja Sophie, du bist ja eher so ein zartes Persönchen, wo nimmst denn du die ganze Kraft her für das, wie du spielst? Du hast ja so einen männlichen Zugriff.' Ich meine, ich nehme es mittlerweile als Kompliment, weil es ist müßig, jedes Mal die Stirn zu runzeln und zu sagen: 'Bist du dir sicher, dass das männlich ist?'"

Es gibt in letzter Zeit ja Initiativen, die fordern, dass pro Konzert immer auch eine Komponistin auf dem Programm stehen sollte. Ist das etwas Gutes für uns Frauen oder eher kontraproduktiv, wie sehen Sie das?

"Ich habe da tatsächlich auch eine geteilte Meinung. Also ich bin auf der einen Seite froh, dass das Thema immer mehr in den Fokus rückt, aber es kommen halt auch manchmal wirklich gewollte Programme dabei raus. Also wenn es jetzt nicht musikalisch einen besonderen Grund hat, entweder weil es eine gleiche Tonart ist oder eine gleiche emotionale Erzählweise oder sich vielleicht sogar gegenseitig inspiriert hat. Sondern wenn das alles irgendwo einen roten Faden hat und dann bricht der ab, weil plötzlich ein Stück von einer Komponistin kommt, dann weiß ich nicht, inwieweit das wirklich förderlich ist. Denn es hat dann halt immer dieses Geschmäckle: "Naja gut, die Quotenfrau muss da auch noch rein!"Dann ist da irgendwie so eine Hemmung im wirklichen Zuhören (...)" Genauso, wenn ich jetzt als Frau ein Klavierkonzert von einer Komponistin spiele und dann noch als Dirigentin eine Frau und dann steht auch noch auf dem Plakat: "Starke Frauen dirigieren Frauen". Ich finde das wahnsinnig schwächend. (...)Also es ist mir wichtig, Frauen auf die starke Ebene ihrer männlichen Kollegen zu heben. Man hört z.B. eine Fantasie von Mozart und dann eine Romance von Cécile Chaminade und der Aha-Effekt tritt einfach von alleine ein - man merkt, dass ihr Platz gerechtfertigt ist und dass sie sich nicht verstecken muss oder nur in einem geschützten Frauenraum sozusagen in Erscheinung treten darf. Aber wie gesagt, vielleicht muss man aber auch immer wieder mal das Risiko eingehen, damit dann die Musik für sich stehen kann, auch wenn man jetzt "zwangsbeglückt" wird, durch das Programm und die Pflicht, das reinzunehmen. Dadurch werden natürlich aber auch großartige Dinge und Juwelen überhaupt erst einmal hörbar. Ich denke, man muss vielleicht vor allem darauf schauen, dass das Ganze einen musikalischen Sinn ergibt. Und dann kann man, glaube ich, der Sache sehr viel abgewinnen. Aber ich finde, man sollte immer eine gewisse Vorsicht walten lassen. Also zu offensichtlich, finde ich zumindest oder in meiner Erfahrung, bewirkt oft das Gegenteil. Es müsste einfach selbstverständlich sein. So wie auf dem Album "Bittersweet", dass man eben sieht: Händel, Schumann, Brahms, Debussy, Chaminade, Schubert."

Das Album "Bittersweet" von Sophie Pacini erscheint heute, am 7. März 2025. Ausgewählte Titel daraus hören Sie in unserem Sender "Klavier Solo".

Klara Jäger / 07.03.2025

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