Zum 80. Jahrestag des Kriegsendes erinnern bewegende Werke von Komponisten wie Strauss, Britten oder Schostakowitsch an das Ende des Zweiten Weltkriegs – sie erzählen von Schmerz, Menschlichkeit und der Hoffnung auf einen neuen Anfang. Hier sind fünf Stücke, die bis heute unter die Haut gehen.
Am 8. Mai 2025 jährt sich das Ende des Zweiten Weltkriegs zum 80. Mal – ein Tag, der in Europa mit stillem Respekt begangen wird. Es ist ein Datum des Erinnerns, aber auch des Aufatmens. Denn mit dem Kriegsende begann ein neuer Abschnitt: der lange Weg zurück zu Menschlichkeit, Kultur und Leben.
Auch die Musik wurde Teil dieses Neubeginns. Manche Kompositionen entstanden direkt unter dem Eindruck der Trümmerjahre, andere wurden erst später geschrieben, getragen von dem Wunsch, das Unfassbare begreifbar zu machen. Sie erzählen von Verlust und Schmerz, aber auch von dem tiefen Bedürfnis, wieder Hoffnung zu schöpfen. Und sie lassen erkennen, was Musik vermag: Sie kann bezeugen, erinnern, warnen – und uns verbinden.
In den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs, als Deutschland in Trümmern lag, komponierte Richard Strauss sein „Metamorphosen“ für 23 Solostreicher. Dieses Werk ist eine tief empfundene Klage über die Zerstörung der deutschen Kultur, insbesondere der Opernhäuser in München und Dresden, die für Strauss von großer Bedeutung waren. Die Komposition beginnt mit einem melancholischen Thema, das sich langsam entfaltet und in komplexen polyphonen Strukturen weiterentwickelt. Am Ende zitiert Strauss das Trauermarsch-Thema aus Beethovens „Eroica“-Sinfonie, versehen mit der Inschrift „In memoriam“, was als Hommage an die verlorene Kultur und Menschlichkeit interpretiert wird.
Strauss, der den Krieg als eine Zeit des kulturellen und moralischen Verfalls empfand, drückte in „Metamorphosen“ seine tiefe Trauer und sein Bedauern über die Zerstörung aus. Obwohl er nicht direkt in die politischen Ereignisse involviert war, war er Zeuge der Verwüstung und des Verlusts, die der Krieg mit sich brachte. „Metamorphosen“ wird oft als sein musikalisches Testament betrachtet, ein Werk, das die Vergänglichkeit der Kultur und die Notwendigkeit des Erinnerns betont.
Benjamin Britten, ein überzeugter Pazifist, komponierte das „War Requiem“ zur Einweihung der wiederaufgebauten Kathedrale von Coventry, die im Zweiten Weltkrieg zerstört worden war. Das Werk kombiniert den traditionellen lateinischen Requiem-Text mit Gedichten des britischen Soldaten Wilfred Owen, der im Ersten Weltkrieg fiel. Durch diese Verbindung entsteht ein kraftvolles musikalisches Statement gegen die Sinnlosigkeit des Krieges. Die Musik wechselt zwischen erhabenen Chören, intimen Solopassagen und dramatischen Orchesterabschnitten, die die Schrecken des Krieges eindringlich darstellen
Britten selbst hatte den Krieg nicht an der Front erlebt, aber seine pazifistische Haltung und seine tiefe Empathie für die Opfer spiegeln sich in diesem Werk wider. Das „War Requiem“ wurde zu einem der bedeutendsten musikalischen Mahnmale des 20. Jahrhunderts und bleibt bis heute ein bewegendes Plädoyer für Frieden und Versöhnung.
Dmitri Schostakowitschs 13. Sinfonie, bekannt als „Babi Jar“, basiert auf Gedichten von Jewgeni Jewtuschenko, insbesondere dem titelgebenden Gedicht, das das Massaker an über 33.000 Juden durch die Nazis in der Schlucht von Babi Jar bei Kiew thematisiert. Die Sinfonie ist ein mutiges musikalisches Statement gegen Antisemitismus und politische Repression in der Sowjetunion. Trotz staatlicher Zensur wurde sie zu einem Symbol für die Kraft der Kunst, historische Wahrheit zu bewahren.
Schostakowitsch, der während des Krieges in der Sowjetunion lebte, war Zeuge der politischen Unterdrückung und des Antisemitismus in seinem Land. Die Uraufführung der Sinfonie stieß auf erheblichen Widerstand von Seiten der sowjetischen Behörden, doch Schostakowitsch setzte sich durch und präsentierte ein Werk von großer emotionaler Tiefe und gesellschaftlicher Relevanz.
Steve Reichs „Different Trains“ ist ein einzigartiges Werk, das persönliche Erinnerungen mit historischen Ereignissen verknüpft. Reich, ein amerikanischer Komponist jüdischer Abstammung, reflektiert in diesem Stück über seine Kindheit während des Zweiten Weltkriegs, in der er häufig mit dem Zug zwischen New York und Los Angeles reiste. Er stellt sich vor, wie sein Leben verlaufen wäre, wenn er in Europa gelebt hätte, wo Juden in Zügen zu Konzentrationslagern transportiert wurden.
Das Werk kombiniert ein Streichquartett mit Tonbandaufnahmen von Zeitzeugen, darunter Holocaust-Überlebende und Reichs ehemalige Nanny. Die Musik imitiert die Sprachmelodien der aufgenommenen Stimmen und schafft so eine eindringliche Klangcollage, die Vergangenheit und Gegenwart miteinander verbindet. „Different Trains“ ist ein bewegendes Beispiel dafür, wie Musik persönliche und kollektive Erinnerungen verarbeiten kann.
Henryk Góreckis dritte Sinfonie, bekannt als „Symphonie der Klagelieder“, ist ein stilles, meditatives Werk, das auf polnischen Texten basiert, darunter ein Gebet, das eine junge Frau an die Wand einer Gestapo-Zelle schrieb. Obwohl Górecki betonte, dass die Sinfonie nicht ausschließlich den Krieg thematisiere, wurde sie zu einem universellen Symbol für Leid, Verlust und Hoffnung.
Die Sinfonie besteht aus drei langsamen Sätzen, die jeweils von unterschiedlichen Texten inspiriert sind: einer mittelalterlichen Marienklage, dem erwähnten Gebet und einem oberschlesischen Volkslied. Góreckis Musik ist geprägt von Einfachheit und emotionaler Tiefe, was dem Werk eine zeitlose Qualität verleiht. Die „Symphonie der Klagelieder“ wurde in den 1990er Jahren international bekannt und berührt bis heute Zuhörer auf der ganzen Welt.